Hallo Alfred61, hallo Stummis,
ich sollte meine Bilder studieren (hilft gegen Betriebsblindheit): in meinem letzten Post, vorletztes Bild, war die zweite Leuchte von links "gedimmt". Diagnose: ein "Gipsflatscherer" am Lampenschirm. Der wurde vorsichtig abgekratzt. Da noch kein PREISER-Raketenmonteur auf der Arbeitsstelle war, gab es auch keinen Ärger mit dem Staff Committee .-)
Beim Brückenbauwerk war eine Holzkonstruktion, so in Richtung "Brücke am Kwai", nie eine Option. Die deutschen Erbauer haben, auf Betonfundamenten, ein Stahlträgerviadukt hingestellt, gebaut für eine halbe Ewigkeit. Ich denke, die Konstruktion ist auch abenteuerlich genug:
Das diese Brücke nach so langer Zeit noch steht und sogar grundlegend ertüchtigt wurde, liegt in der weiteren Geschichte von Saint Mulciber begründet:
Nach Ende des zweiten Weltkriegs sollte die US-Army eine ballistische Rakete entwickeln, die einen Atomsprengkopf möglichst weit in ein Ziel bringen kann. Selbst als Raketenfachleute aus Peenemünde hinzugeholt wurden, erwiesen sich die Raketen noch als unzuverlässig oder die geforderte Reichweite konnte nicht erreicht werden. Die Entwicklung kostete Geld, viel Geld. Die US-Regierung wollte daher die Raketenentwicklung der US-Army nicht mehr finanzieren; ohne einen nachweisbaren Erfolg würde das Raketenprogramm der US-Army eingestellt. Diesen Erfolg sollte der "Hare and the Hedgehog"-Plan bringen. Der Plan bestand aus zwei Teilen:
Der erste Teil war, das die US-Army wichtige Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses zu einem mehrtägigen Informationsbesuch einlädt. Zweck des Besuchs ist, die Abgeordneten vom Stand der Raketenentwicklung bei der US-Army zu informieren (... natürlich sollten sie dabei so viele positive Eindrücke mitnehmen, dass sie im Repräsentantenhaus einer weiteren Finanzierung der Raketenprogramms zustimmen. Das nennt man heutzutage Lobbyarbeit). Höhepunkt des Besuchsprogramms war der Start einer Versuchsrakete aus dem geheimen Raketen-Entwicklungsprogramm der US-Army. Die Abgeordneten hatten dabei die Wahl, persönlich den Start der Versuchsrakete von Cape Canaveral oder den Sturz der Rakete ins Zielgebiet, optimistische 2.000 km von Florida entfernt, verfolgen zu können.
Bei der zweiten Möglichkeit, also Sturz der Rakete ins Zielgebiet, war wegen der längeren Hin- und Rückreise, ein Zwischenaufenthalt in Havanna erforderlich. Bekannterweise war die kubanische Hauptstadt Havanna seinerzeit eine Vergnügungsmetropole für nordamerikanische Touristen. Vielleicht war dies der Grund, weshalb alle Abgeordneten (erwartungsgemäß) den längeren Weg auf sich nahmen. Aber die US-Army war fürsorglich: Der Aufenthalt sollte für die Abgeordneten so angenehm wie möglich gestaltet werden. Dies wurde in Zusammenarbeit mit italo-amerikanischen Geschäftsleuten perfekt organisiert, bis hin zu Erinnerungsfotos.
Das ging Alles auf Kosten der US-Army (bzw. des US-Steuerzahlers). Falls es interessiert: Die Kosten für die Einladung der US-Abgeordneten betrugen 636.755,60 Dollar, in dieser Summe sind 318.377,80 Dollar Provisionen an örtliche italo-amerikanische Geschäftsleute sowie für den Fotoservice enthalten (Leider wollte kein Abgeordneter diesen Service in Anspruch nehmen).
Ich greife mal vor: dieser Teil des Plans hat funktioniert. Die Abgeordneten, zurück in Washington, haben ihre Stimme nach besten Wissen und Gewissen abgegeben, das Geld für die Weiterentwicklung des Raketenprojekts wurde bewilligt.
Der zweite Teil des "Hare and the Hedgehog"-Plans lief im Hintergrund: Als Zielgebiet für die Rakete war das karibische Meer, etwa 2.000 km von Florida entfernt, ausgewählt. Das Problem war, das Niemand - auch die Raketenfachleute aus Peenemünde nicht - gewährleisten konnten, dass es eine Rakete von Cape Canaveral zielgenau bis in die Karibik schafft. Alle bisher getesteten Raketen waren nur bis zu einer Entfernung von 800 km einigermaßen treffsicher. Hier greift die Rolle von Saint Mulciber: Zehn Minuten nach dem Start in Florida wird eine zweite Rakete auf Saint Mulciber gestartet. Während die in Florida gestartete Rakete ins Bermudadreieck gelenkt wird, nimmt die auf Saint Mulciber gestartete Rakete Kurs auf das angekündigte Zielgebiet. So gewinnen die Beobachter den Eindruck, die in Florida gestartete Rakete ins karibische Meer stürzen zu sehen. Dass der Startplatz der zweiten Rakete auf Saint Mulciber, nur ein paar Meilen hinter dem Horizont liegt, wird niemand bemerken.
Um Saint Mulciber auf seine Rolle im "Hare and Hedgehog"-Plan vorzubereiten, musste der alte Stützpunkt ertüchtigt werden (zur Erinnerung: der Stützpunkt war Mitte 1945 heruntergekommen und vernachlässigt, das einzige Transportmittel, die Schmalspurbahn kaum noch betriebsbereit). Aber die South Atlantic Division (= SAD) des Pionierkorps der US-Army hat es geschafft: Innerhalb kürzester Zeit wurde im Krater des Saint Mulciber die Raketenstation installiert. Aus Zeitmangel verzichtete das SAD auf den Bau von Straßen, dafür wurde die Schmalspurbahn reaktiviert. Das wichtige Brückenbauwerk wurde grundlegend saniert (dazu wurden 10 Barrel Rostschutzfarbe von der USAAF+ direkt aus San Francisco eingeflogen) und neues Rollmaterial aus Deutschland bzw. Österreich besorgt. Der Import des Eisenbahnmaterials aus Europa war schneller als ein Kauf in den USA, außerdem konnte die Finanzierung über den Marshall-Plan+ abgewickelt werden. Damit ist auch erklärt, weshalb auf Saint Mulciber eine Schmalspurbahn mit neuerem deutschen bzw. österreichischen Rollmaterial unterwegs ist.
Unnötig zu sagen, dass auch der zweite Teil des Plans funktionierte. Zugegeben, der "Hare and Hedgehog"-Plan war eine Schnapsidee. Aber die Rolle von Saint Mulciber ist damit noch nicht zu Ende - später dazu mehr.
Grüsse
Peter