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Der Fluch der Akribik, Teil 429
ROTBART, DER GERMANE
Altösterreichischer Dienstwagen von Petr Berka - gnadenlos und bis ins letzte Detail
Um das Fahrgestell absolut plan auszurichten, habe ich es auf einer kleinen Glasplatte aufgebaut.
Glasplatten bekommt man billig beim Nachbarn, indem man ihm eine Scheibe einschmeißt, ihm die Polizzennummer der Haftpflichtversicherung bekanntgibt und die Scherben mitnimmt.
Wer das anschließend zu erwartende unbeherrschte, ordinäre Geschrei des Nachbarn verabscheut, bekommt kleine Glasplatten um wenig Geld im nächsten Möbelhaus - in Form von kleinen sogenannten "rahmenlosen Bilderrahmen". Wobei ich mich allerdings frage, wer sich bloß diesen eigenartigen, sich glasklar selbst widersprechenden Begriff ausgedacht hat. Vielleicht gar ein hirnloses Marketing-Hirn?
In der Regel haben die Germanen rote Bärte, besagt ein ebenso steinalter wie nicht stubenreiner Scherz. Aber darum geht's hier nicht. Hier geht's um eine andere Regel, und die besagt, dass Ätzteile so zu biegen sind, dass die geätzte Nut immer die Innenkante ist. Berka hält sich an diese Regel, sodass sich hieraus bei seinen Ätzblechen eine eindeutige Biegerichtung ergibt. Bisher jedenfalls.
Weil ich - anders als wiederholte haltlose Behauptungen besagen - kein Feinmotoriker bin, auch wenn ich mir manchmal versehentlich den Anschein gebe, sind mir beim Biegen der Längsprofile einzelne der extrem feinen Wagenkastenträger abgebrochen. Das ist aber kein Grund, das Modell wegzuwerfen. Ich bewahre die Teilchen sorgsam in einem Säckchen [Tütchen] auf und ich werde sie nachträglich ankleben, wenn der Wagenkasten mit dem Untergestell verbunden ist.
Die Klebstoffreste habe ich von diesem Fahrgestell übrigens nicht mit dem Glasfaserradierer entfernt, sondern mit einem Stichel abgetragen. Stichel haben keine steifen Fasern, die wie Kakteenstacheln unter die Haut gehen.
Bei den Längsträgern der Berka-Bausätze ist generell sorgfältig auf die Einbaurichtung zu achten. Manche Längsträger haben eine Ober- und eine Unterseite. Die Längsträger der Kohlenwagen mit Bremserhaus beispielsweise sind Bremserhaus-seitig oben und unten unterschiedlich geschlitzt. Manche Längsträger sind wiederum der Länge nach nicht symmetrisch, so beispielsweise die der Kohlenwagen ohne Bremserhaus. Hier orientiert man sich, soweit vorhanden, an den geätzten Ausnehmungen im Wagenboden oder am probeweise aufgesetzten Wagenaufbau.
Die vor dem ersten Weltkrieg gebauten Vorbilder der Berka-Dienstwagen waren bei den ÖBB in meiner "Epoche", also um 1955, mit drei verschiedenen Achslagern anzutreffen, und zwar mit diesen beiden hier...
... (links die ältere Variante, rechts die Ausführung ab ca. 1909) und schließlich welche mit neueren Achslagern, die vermutlich in der Zwischenkriegszeit eingebaut wurden und jenen der Austauschbauart der Reichsbahn ähnelten. Weiters wurden die Wagen um 1955 sowohl mit Fachwerk-Achshalter als auch mit Pressblech-Achshalter fotografiert.
Für meinen um 1955 im Görtschitztal verkehrenden Pwg ist die Ursprungsausführung der Achslager und Achshalter nachgewiesen. Mein Wagen bekommt also die ältere Achslagerform (im Foto oben links) und behält die von Berka angebotenen Fachwerk-Achshalter. Wer eine jüngere Version dieses Wagens bauen will, könnte die Fachwerk-Achshalter des Bausatzes abtrennen und durch geätzte Pressblech-Achshalter ersetzen. Gibt's ebenfalls bei Berka, und zwar unter der Bestellnummer B10072.
Die Achslager würde ich aus gutem Grund keinesfalls mit einem Messer oder mit einer Säge von der Trägerplatte abtrennen. Ich werde später zeigen, warum. Mit einer kleinen Schneidepinzette konnte ich sie problemlos freilegen.
Die Bohrung in den Achslagern war geringfügig zu klein, die Achslager passten nicht auf die Messing-Achsbuchsen. Aufbohren gelang mir nicht, mit dem Bohrer zerriss ich prompt das Achslager. Mit einem 2,2mm Rundkopf-Fräser (z.B. Proxxon) klappte das Aufweiten der Bohrung hingegen problemlos. Ein kleiner Tropfen Sekundenkleber - mit Hilfe eines Drahtes oder eines Ölgebers außen auf die Messingbuchse aufgetragen - reichte aus, um das Achslager bombenfest zu befestigen. Da mein zwischen den Feiertagen im Baumarkt erworbener Standard-Sekundenkleber seinem Namen alle Ehre machte und das Achslager buchstäblich sekundenschnell fixierte, war ein Ausrichten fast nicht möglich. Das Achslager war daher von vornherein mit der Pinzette genau mittig und genau senkrecht an die Buchse heranzuführen:
Nach dem Festkleben der Achslager waren die Federpakete einzufügen. Die Federpakete habe ich ausschließlich von hinten her geklebt, sodass an der Außenseite keinerlei Klebstoffreste zu sehen sind. Dabei war aufzupassen, "in der Hitze des Gefechtes" nicht die strukturierte Vorderseite der Federpakete mit ihrer fast glatten Hinterseite zu verwechseln. Metallene Haarklammern waren hilfreich beim Fixieren. Die weißen Pünktchen auf dem Federpaket im folgenden Foto sind bloß irrtümlich nicht entfernter Schmutz - sorry:
Klingt alles furchtbar schwierig. Tatsächlicher Schwierigkeitsgrad? Wie das saubere Einkleben von Kleinteilen in ein Faller-Häuschen. Höchstens. Bisher also nichts, wovor man sich fürchten müsste. Aber vielleicht kommt das nackte Grauen noch?
Vielleicht gar schon das nächste Mal?
Seeeeehr gespannt
Euer Karl
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