Fast schon ein Dauerbrenner in der Eisenbahnliteratur wie auch in Foren ist das Thema Farbgebung von Länderbahndampflokomotiven. Dass dabei manche Zeitgenossen mit dem Thema Quellen mit einer Kreativität umgehen für die man im Proseminar Geschichte vor die Tür gebeten würde, soll hierbei nicht unerwähnt bleiben.
So haben mich beispielsweise die Reaktionen auf die unterschiedlichen Farbgebungen, in denen die württembergische C in Göppingen und Salzburg vom Band lief, irritiert. Sicherlich haben beide Hersteller ihre Hausaufgaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht, und was das heißt kann nur derjenige beurteilen, der selbst über Wochen und Monate hinweg knochentrockene, doch ebenso notwendige wie wissenschaftlich saubere Recherchearbeit in Archiven betrieben hat. Und doch: Selbst wenn man ein Schriftstück gefunden hat, das eine bestimmte Farbgebung zu belegen scheint, so ist der Anstrich von Lokomotiven oftmals schwer zu versprachlichen: Schließt der genannte Farbton die Kesselarmaturen mit ein? Die Kesselspannbänder? Gilt der Farbton des Fahrgestells auch für das Bremsgestänge? Gräbt man da nicht eine originale Lackieranschrift aus, steht man ganz schnell "lausig in Lee". Und selbst bei diesen gilt der altbekannte Spruch "Keine Regel ohne Ausnahme" - siehe 61 001, bei der der obere violette Streifen in Abänderung der Lackiervorschrift ausgeführt wurde. Sehr schwierig ist auch der Umgang mit "authentischen Zeitzeugenaussagen", insbesondere dann, wenn sie im Widerspruch zu zeitgenössischen Quellen stehen. Dies soll an dieser Stelle aber nicht weiter vertieft werden; nur soviel: Die Problematiken der "Oral history" sind geeignet, eine ganze Vorlesung zu füllen - nicht nur in der Geschichtswissenschaft und -didaktik, sondern auch in der Denkpsychologie.
Machen wir uns ehrlich: Die authentische Farbgebung mancher Länderbahntype werden wir wohl nie 100%ig sicher rekonstruieren können, mag da manch selbsternannter Platzhirsch so laut röhren wie er will. Das kann man alleine schon daran sehen, wieviele unterschiedliche Ausführungen es von gleichen Vorbildtypen von verschiedenen Kleinserienherstellern trotz identischer Quellenlage gibt. Ein bisschen verhält es sich wie mit den "Hannibal ante portas"-Theorien der Geschichtswissenschaft: Es gibt gefühlt hundert Theorien, warum der große Feldherr der Karthager nicht versuchte Rom einzunehmen - aber um Gewissheit zu bekommen, warum gerade Nummer 17 die richtige ist und nicht Nummer 34, dazu müssten wir ihn schon ausbuddeln und befragen. Bloß - der hat nichtmal ein Grab. Manchmal bleibt eben nur die Flucht in die Mutmaßung.
Hannibals Grab wäre wohl ein Heiliger Gral für Historiker - und das Gegenstück dazu für die Kollegen von der industriegeschichtlichen Zukunft eine Farbfotografie der ein oder anderen Dampflok - eben z.B. die einer Württembergischen C. Und in der Tat - als 2015 die Ausgabe 5 des "Esslinger Dampfdruck" erschien, da mag mancher Freund der schönen Württembergerin in Schnappatmung verfallen sein. Aber ach, grau, mein Freund, ist alle Theorie - und leider auch das Originalbild, denn dieses, das auch den Einband des EK-Bandes über die 18.1 ziert, ist leider, leider nur ein von Peter Gierhardt nachträglich coloriertes Schwarzweißfoto von 1912. Es hätte so schön sein können...
Vielleicht war es aber genau das, die Dünne des Eises, die mich dazu bewogen hat, mich auf dasselbe zu begeben. Dazu muss ich aber noch etwas weiter ausholen.
Das Bild zeigte eine "What if". Oder nicht. Oder doch. Naja, wie man es sieht. 2009 schlug in der deutschen Museumsbahnszene eine Nachricht ein wie eine Bombe: Die C werde wieder auferstehen! Eine sehr engagierte Gruppe von Aktiven aus dem Umfeld des SEH Heilbronn und eine in Baden-Württemberg ansässige Stiftung wollten das Undenkbare möglich machen: Den Neubau einer Vollbahn-Dampflokomotive für den Einsatz auf Staatsbahngleisen - genau ein halbes Jahrhundert nach der Ablieferung der 23 105.
Gut, wir wissen alle, dass daraus - zu meinem allergrößten Bedauern - nichts wurde. In diversen Foren wurde unter anderem geraunt, Gründe hierfür wären berufliche Veränderungen im Umfeld einiger Aktiven, das Ableben des Hauptmäzens, aber auch die mangelnde Unterstützung bis hin zur offenen Ablehnung - frei nach dem Motto, wieso eine siebenstellige Summe in eine inexistente Lok stecken, wo doch das Geld in den Erhalt noch existierender Industriekulturdenkmäler wesentlich sinnvoller investiert wäre? Glückliches England - Du hast solche Probleme nicht: Dort - wo man auch mit "What if"-Lackierungen keinerlei Probleme hat - laufen mittlerweile sage und schreibe 32 derartige Projekte, und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten entsteht sogar eine T-1 der PRR neu... Bis heute weigere ich mich zu glauben dass das, was im anglosächsischen Sprachraum geht, bei uns undenkbar sein soll. Mal ehrlich: Eine 05, 06 oder 96er unter Dampf - hat das nicht auch etwas von Jurassic Park..?
Doch zurück zur C. Was mich natürlich reizte war die Fragestellung, wie sie wohl ausgesehen hätte, die - nachgenummerte - "2042". Ich habe mich einmal ganz bewusst gelöst von allen Vorlagen, die mir dazu bekannt waren, und mich strikt an die Ausführungen von Dirk Wenzel und Wolfgang Diener gehalten, wie sie auf der Homepage von Achim Seeberger tabellarisch zusammengefasst zu finden sind. Demnach also:
Kessel: Glanzblech
Zylinder, Führerhaus, Tender, Rahmen, Drehgestelle, Tender: Stahlblau, heller als RAL 5011
Kesselringe, Schornstein, Führerhausdach: Schwarz
Räder, Stangennuten: Rot
Was mich zu einem Ergebnis brachte das, zu meiner Verblüffung, sich doch von allem abhebt, was mir bisher an Umsetzungen für die "C" bekannt ist:
Bild entfernt (keine Rechte)
Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Gebr. Märklin & Cie. GmbH
Aber der Reihe nach: Die Glanzblech-Optik des Kessels hat mich schier in die Verzweiflung getrieben. Ohnehin ist Glanzblech ein Thema für sich. Wolfgang Hug verweist nicht umsonst auf seiner hervorragend gemachten Seite darauf hin, dass "Glanzbleche heute nicht mehr verfügbar und die Rezepturen zur chemischen und thermischen Behandlung der Bleche nicht bekannt sind" weswegen es schwierig sei sich eine Vorstellung davon zu machen, "wie die damaligen Maschinen wohl ausgesehen haben".
Das Blau stellte mir freundlicherweise eine E 10 zur Verfügung - wir erinnern uns: RAL 5011 war bei der DB der Anstrich für Elektrolokomotiven mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 120, aber weniger als 160km/h - , das, entsprechend der Vorgabe, aufgehellt wurde. Verwundert hat mich die blaue Farbgebung des Rahmens; ein Bauteil, das bei einer Dampflokomotive eigentlich sprachlich eindeutig definiert ist (nicht Umlauf, nicht Schürze) und das kaum werbewirksam in Erscheinung tritt. Schließlich wäre da noch die bereits angesprochene Problematik aller Farbgebungs-Versprachlichungen, dass viele Bauteile unbenannt und damit farblich undefiniert bleiben: Über die Farbgebung der Bremsen, der Rauchkammertür, der Kesselarmaturen oder des Kesseldoms, um nur einige Beispiele zu nennen, finden wir bei Wenzel/ Diener nichts - womit uns nur wiederum die spekulative Umsetzung bleibt. Ceterum censeo: In keinem Fall würde ich mich erdreisten mich hinzustellen und zu sagen, dies sei nun die "richtige" Farbgebung der C. Es ist allenfalls eine weitere quellengestützte Annährung an das, was gewesen sein könnte - nicht mehr und nicht weniger.
Nun gut, vielleicht hätten es sich die Aktiven des Projektes "Die Schöne Württembergerin" einfach gemacht und sie im schwarz-roten Reichsbahnkleid als "18 138" in Dienst gestellt. Möglicherweise ist ja der Zug für Kittels Schönste noch nicht abgefahren, und es gibt noch einmal einen zweiten Anlauf um die kleinste deutsche Länderbahn-Pazifik wieder zum Leben zu erwecken - falls nicht jetzt schon ein paar wilde Schrauber in einem Lokschuppen irgendwo im Ländle heimlich an einer basteln, den Cleverles aus dem Lande Späths traue ich Einiges zu. Aber, auch wenn's keine C sein sollte: Falls noch jemand "da draußen" mit dem Gedanken liebäugelt, einen Vollbahndampfer ins Leben zurückzuholen - einfach anrufen; ich werde gerne sehen, ob ich etwas Arbeitsleistung dazu beitragen kann...
Grüße!
Christian